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Klientenzentrierte Psychotherapie in der Seelsorge

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2. Metatheorien 


Eine wichtige und grundlegende Voraussetzung, das Konzept der KP zu besprechen und im Hinblick auf eine seelsorgliche Rezeption zu untersuchen, ist es, ihre metatheoretischen Wurzeln zu erschließen. Dabei möchte ich im folgenden eine Skizze der Anthropologien mehrerer Vertreter der Existenzphilosophie und Phänomenologie zeichnen, die einen wichtigen Teil des philosophischen Hintergrundes der Humanistischen Psychologie und damit auch der KP bilden, um sie anschließend auf ihre Einflüsse auf C. Rogers und das Konzept der KP zu untersuchen.

Die Skizzierung dieser Anthropologien soll die spätere Entfaltung des Menschenbildes und der Persönlichkeitstheorie der KP in einen größeren philosophischen Rahmen einbetten, und gleichzeitig den Vergleich mit einem spezifisch christlichen Menschenbild vorbereiten. Weitere metatheoretische Aspekte bleiben nur am Rande erwähnt. 



2.1 Existenzphilosophie und Phänomenologie 


Die Existenzphilosophie trägt den Schwerpunkt ihrer philosophischen Bemühungen in ihrem Begriff. Im Mittelpunkt steht die Betrachtung und Erforschung des menschlichen Seins, der Existenz. Existenz wird dabei als typische Seinsweise des Menschen betrachtet und zunächst in ihrer Bedeutung vom Individuum her erschlossen. "Ungeborgen, einsam vor dem Nichts, geworfen in eine unverständliche, absurde Wirklichkeit, bestimmt von Angst, das sind die wesentlichen Bestimmungen des Menschen."

Entscheidend für die Existenzphilosophie ist auch der Bruch mit der philosophischen Tradition, die aus existentialistischer Sicht von Platon bis Aristoteles in die Irre ging. Wichtig ist es 
deshalb systematisch wie methodisch "von vorne" zu beginnen und die rationale Erkenntnis in der Philosophie zu überwinden und auszuschalten.

Die Phänomenologie bildet die Methode des Existentialismus und wurde maßgeblich von Edmund Husserl entwickelt. Sie betrachtet einen wissenschaftlichen Gegenstand von seiner Erscheinung her und versteht Erkenntnis nicht im eigentlichen Sinn, sondern als ein intuitives sinnlich-geistiges Erleben der Bedeutung der Phänomene. Dabei ist festzustellen: "Menschliches Bewußtsein ist [...] immer Bewußtsein von etwas, also immer schon auf die Welt ausgerichtet. Und umgekehrt: alles, was der Mensch weiß, weiß er zunächst aus eigener Erfahrung. [...] Wesentliche Kriterien für Erfahrung und Wissenschaft sind dabei nicht Objektivierung, wissenschaftliche Sicherheit und Unbezweifelbarkeit [..], sondern Zum-Ausdruck-kommen-lassen der Dinge bzw. Sich-Einlassen auf das eigene Selbst". Die Welt soll so wahrgenommen werden, wie sie sich dem Einzelnen im Rahmen seiner Erfahrungen darstellt. 

Die philosophischen Strömungen der Existenzphilosophie und der Phänomenologie entwickelten sich zwar zeitlich parallel, aber anfangs unabhängig voneinander. Vom heutigen Standpunkt aus kann man aber mit Helmut Quitmann sagen, "daß eigentlich alle Existenzphilosophen auch gleichzeitig Phänomenologen sind, nur umgekehrt sind längst nicht alle Phänomenologen auch gleichzeitig Existenzphilosophen". Ich möchte nun in einem ersten Schritt einzelne Vertreter des Existentialismus an Hand ihrer anthropologischen Annahmen skizzieren und sie in einem zweiten Schritt hinsichtlich ihrer Einflüsse auf C. Rogers und das Konzept der KP untersuchen. 


2.1.1 Soeren Kierkegaard (1813-1855)


Der dänische Philosoph und Theologe Soeren Kierkegaard kann als einer der großen Wegbereiter des Existentialismus bezeichnet werden. Michael Theunissen bezeichnet es als vordringlichste bzw. "einzige" Aufgabe S. Kierkegaards "in einer Zeit, in der das Bekenntnis des Glaubens unglaubwürdig geworden war, wieder auf das Christsein aufmerksam zu machen und das von den Aposteln verkündete 'Christentum in die Christenheit einzuführen'". M. Theunissen leitet daraus ab, daß alles, was S. Kierkegaard geschrieben hat, letztlich vom Menschen handle und somit im weitesten Sinne eine Anthropologie darstelle, auch wenn sich bei ihm explizit keine Lehre vom Menschen finden lasse. 

Wie sah nun S. Kierkegaard den Menschen? Wie alle Existentialisten betont auch er das Akthafte der Person, die sich erst durch die Entscheidung, mit der sie ihr Menschsein übernimmt, zur Eigentlichkeit ihrer Existenz erhebt. P. Schmid schreibt, daß S. Kierkegaard sein Menschenbild aus einer Art "Selbsterfahrung" heraus entwickelte. Diese Erfahrung vermittelte ihm eine Erkenntnis vom Menschen, dessen Existenz von Abgrund, Tod, Zerrissenheit und Angst geprägt ist. Diese Faktoren bilden die Grundsituation des Menschen, der er ausgeliefert ist.

Der erwähnte Umstand gibt jedoch keinesfalls Anlaß, in Verzweiflung zu verharren. Die entscheidende Erkenntnis S. Kierkegaards besteht nämlich darin, diese Angst auch als Möglichkeit zur Freiheit zu begreifen, da das Erleben einer Angst auch verschiedene Möglichkeiten des Handelns bietet und zur Entscheidung ruft. Wirkliche Existenz bedeutet, daß der einzelne in der Entscheidung für oder gegen eine Möglichkeit seine Freiheit realisiert. "Es kommt ganz darauf an, daß einer es wagt, ganz er selbst zu sein, ein einzelner Mensch, dieser bestimmte einzelne Mensch zu sein; allein vor Gott, allein in dieser ungeheuren Anstrengung und mit dieser ungeheuren Verantwortung."
S. Kierkegaard betont zweifellos die Individualität des einzelnen, betrachtet ihn aber gleichzeitig als gesellschaftliches Wesen.


2.1.2 Martin Heidegger (1889-1976)


Martin Heidegger, ein Schüler E. Husserls, wollte in seiner "Fundamentalontologie" von der Beschreibung der Erscheinung des Seins, der Phänomene, zum "Sinn von Sein" vordringen. "Er 
stellte dabei das Sein des Menschen, das 'Dasein', in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen". Das Spezifische am menschlichen Sein ist, daß der Mensch im Unterschied zu Tieren und Dingen nicht nur ist, sondern auch nach seinem Sein, dem "Dasein" fragen und damit in Beziehung zu anderen Menschen, Tieren und Dingen in der Welt treten kann. Dieses "Dasein" des Menschen bezeichnet M. Heidegger als Existenz: "Das Sein selbst, zu dem das Dasein sich so oder so verhalten kann und immer irgendwie verhält, nennen wir Existenz".

Der Mensch ist in seiner Existenz in diese Welt "geworfen", die ihn vom Beginn seines Seins an mit dem Tod und der Angst vor dem Tod konfrontiert. Dabei versteht M. Heidegger das Dasein des Menschen nicht als ein "Sein zum Tode", um des Todes Willen. Die Gewißheit des Todes ist zwar etwas Bedrohliches, aber gleichzeitig auch "die Chance, durch Konfrontation mit der Angst das eigene Leben aus der 'Uneigentlichkeit' des 'Man' in die 'Eigentlichkeit' einer menschlichen Existenz zu führen, die - bei Anerkennung der Endlichkeit des Daseins - eine Fülle von Situationen für Wohlbefinden und die eigene Verwirklichung bereithält".

Mit der "Uneigentlichkeit" des "Man" meint M. Heidegger den Umstand, daß das Dasein nicht zu sich selbst findet und die Entscheidungen den anderen, dem anonymen "Man", der Öffentlichkeit überläßt. Das genaue Gegenteil ist dann mit der "Eigentlichkeit" der menschlichen Existenz gemeint, in der der einzelne seine Entscheidungen selbst trifft. Der Mensch ist also nicht nur in die Welt geworfen und seiner Angst ausgeliefert, sondern kann sich durch die aktive Entscheidung selbst begegnen. Diese Begegnung zeichnet sich formal dadurch aus, daß der Mensch für diese Entscheidung einen gewissen Entscheidungsspielraum als Möglichkeit zur Verfügung hat. Inhaltlich ergibt sich durch die Tatsache des Seins, durch seine Existenz, die Verpflichtung sich für oder gegen etwas entscheiden zu müssen. "In diesem Spielraum des Sich-Stellens oder In-den-Alltag-Fliehens begegnet der Mensch seiner Freiheit." M. Heidegger erkennt nicht nur die Möglichkeiten der Entscheidungsfähigkeit des Menschen; sie bildet für ihn eine Notwendigkeit menschlicher Existenz. Der Mensch muß sich immer für bzw. gegen etwas entscheiden. 

Auch wenn M. Heidegger sich in seiner Philosophie, ähnlich wie S. Kierkegaard, dem einzelnen Individuum zuwendet, so stellt er doch fest, daß sich der einzelne in seinem In-der-Welt-Sein auch immer in einem Mit-Sein mit anderen Menschen befindet. Ihm ist schon sehr bewußt, daß der einzelne nicht ohne seine Umwelt existieren kann, wenn er sagt: "Die Welt des Daseins ist Mitwelt. Das In-Sein ist Mit-Sein mit Anderen".

Den Umgang, die Beziehung mit anderen, umschreibt er mit dem Begriff "Fürsorge", wobei er zwei Möglichkeiten der Fürsorge unterscheidet. Die "vorausspringende" Fürsorge bezeichnet jene, die die Sorge dem einzelnen Individuum zurückgibt und es selbst damit fertigwerden läßt. Die "einspringende" Fürsorge entlastet den Menschen, indem sie ihm jede Entscheidung abnimmt und Lösungen für ihn erstellt. In ihr steckt die Gefahr, den anderen zum Abhängigen und Beherrschten zu machen, "mag diese Herrschaft auch eine stillschweigende sein und dem Beherrschten verborgen bleiben. [...] Ihr gegenüber steht die Fürsorge, die [...] vorausspringt, nicht um ihm die Sorge abzunehmen, sondern erst eigentlich als solche zurückzugeben. Diese Fürsorge, die wesentlich die eigentliche Sorge, d.h. die Existenz des Anderen, betrifft, und nicht ein Was, das er besorgt, verhilft dem Anderen dazu, in seiner Sorge durchsichtig und für sie frei zu werden". M. Heidegger vertraut auf die Kräfte im einzelnen, die gefördert werden sollen, um den Menschen ein Leben in Freiheit zu ermöglichen. 


2.1.3 Martin Buber (1878-1965) 


Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber entwirft vor allem in seinem Hauptwerk "Ich und Du" eine Anthropologie des Menschen, die ihren Höhepunkt in der Erkenntnis findet, daß "'die fundamentale Tatsache der Existenz' nicht der Mensch, sondern der 'Mensch mit dem Menschen' ist, 'weder der Einzelne als solcher noch die Gesamtheit als solche'. 'Beide, für sich betrachtet, sind nur mächtige Abstraktionen. Der Einzelne ist Tatsache der Existenz, sofern er zu anderen Einzelnen in Beziehung tritt.' [...] Die 'Dualität' des Menschen ist ihm existentielle Tatsache; die Zweiheit ist das Grundwesen der Welt'". Anders als M. Heidegger und S. Kierkegaard betont M. Buber nicht die Individualität des Menschen, er fokussiert die Beziehungskomponente. Dabei zeichnet er den Menschen als Wesen, das, um zu seiner Existenz zu kommen, in Beziehung treten muß. Es folgt nun eine nähere Beschreibung der philosophischen Anthropologie M. Bubers anhand charakteristischer Begriffe.

· Urdistanz und Beziehung

Im Zentrum der Anthropologie M. Bubers steht die Frage: Wie ist der Mensch möglich? Es ist dies eine kategoriale Frage, deren Antwort durch Abheben der Seinskategorie des Menschen von anderen Seinskategorien zu geben ist. Dabei stellt sich heraus, daß das Prinzip des menschlichen Seins kein einfaches ist, sondern eine zweifache Bewegung. "Die erste sei die Urdistanzierung, die zweite das In-Beziehungtreten genannt" . 

Diese beiden Bewegungen bedingen sich gegenseitig, indem die erste die Voraussetzung der zweiten bildet; da man, laut M. Buber, nur zu einem distanzierten Seienden, das ein selbständiges gegenüber geworden ist, in Beziehung treten kann. Die erste Bewegung bzw. Urdistanzierung konstituiert das menschliche Sein. Dabei ergibt sich ein vom Menschen zu unterscheidendes selbständiges Gegenüber, das M. Buber "Welt" nennt und nur durch die menschliche Urdistanzierung ermöglicht wird. Den Tieren ist eine solche Form der Distanzierung vollkommen unmöglich. Allein der Mensch "greift gewaltigen Schwungs über das ihm Gegebene hinaus, überfliegt den Horizont und die jeweils wahrgenommenen Sterne und faßt nun ein Ganzes. Mit ihm, mit seinem Menschsein gibt es eine Welt".

Die zweite Bewegung ist mit der ersten untrennbar verbunden. Dort, wo die Welt zum Gegenüber geworden ist, verlangt sie vom Menschen gleichzeitig, daß er sich zu ihr verhält. M. Buber sieht zwei Möglichkeiten, die dem Menschen offenstehen. Entweder distanziert er sich von der Welt, ohne zu ihr wesentlich in Beziehung zu kommen, oder er tritt in Beziehung zu ihr. M. Buber nennt diese Urbeziehung "synthetische Anschauung". "Wer sich dem zur Welt ergänzten und gewandelten Bereich, den er von sich abgerückt hat, - wer sich der Welt zuwendet und anschauend zu ihr in Beziehung tritt, wird des Seins von Ganzheit und Einheit dermaßen inne, daß er von da her, je und je, Seiendes als Ganzheit und Einheit zu erfassen vermag." 

Dieses Doppelprinzip verhält sich in der Menschensphäre etwas anders als in der Dingsphäre, zu der alles gehört, was nicht menschlich ist. "Zwischenmenschliche Distanzierung geschieht immer wechselseitig". Für die Dingwelt bleibt dies ein einseitiger Akt. Dadurch, daß sich ein Mensch von einem anderen distanziert, wird er genauso von jenem abgerückt und gemeinsam mit allem Übrigen als "das Andere" wahrgenommen. Das Gegenteil dieser Bewegung wäre die Beziehung, wobei diese immer zu einem ganz bestimmten Menschen geknüpft wird. M. Buber meint also, daß der Mensch erst zum Einzelnen, zum Individuum wird, wenn er seine Distanz in der Beziehung zu einem anderen Menschen aufgibt und mit ihm in Beziehung tritt. 

· Die menschlichen Grundworte Ich-Du und Ich-Es 

Die Verhältnisse des Menschen zur Welt, nämlich Distanzierung und Beziehung, bezeichnet M. Buber als die zwei Grundworte des Menschen. Das eine Grundwort ist das Wortpaar Ich-Es, das andere das Wortpaar Ich-Du. "Wer Ich-Es spricht, der erfährt die Welt. Sie ist für ihn 
nutzbar, sie dient seinen Zwecken. Das Gegenüber ist dazu da, gebraucht zu werden, verfügbar 
zu sein, eine Funktion zu erfüllen. Die Welt wird dem menschlichen Willen unterworfen. So der Stein, der zum Werkzeug wird, so das Holzstück, das als Brennmaterial dient." Auf der einen Seite steht immer ein aktives Ich und auf der anderen Seite ein passives Etwas. Die Erfahrung bildet das Schlüsselwort dieses Verhältnisses. Die Welt "läßt sich erfahren, aber es geht sie nichts an, denn sie tut nichts dazu, und ihr widerfährt nichts davon". Wer hingegen die Welt als Ich-Du anspricht, der begegnet der Welt und tritt mit ihr ebenso in Beziehung, wie sie mit ihm. 

Beziehung, wie M. Buber sie versteht, läßt sich am besten durch ihre grundsätzlichen Merkmale charakterisieren: Eine Ich-Du Relation kommt nie allein durch den Willen des Menschen zustande, dafür bedarf es immer auch der Gnade. Der Mensch kann für eine Beziehung zwar bereit sein, aber er kann sie nie herstellen. 

Weiters ist das Du kein Gegenstand, der an andere Dinge grenzt und erfahrbare Eigenschaften aufweist, sondern es wird zur alles andere ausschließenden Gegenwart, zur Ganzheit, d.h. daß man in einer Beziehung nur das Du wahrnimmt, der Rest bleibt in diesem Augenblick verborgen, ausgeschlossen. Das "ganzheitliche Da-sein ist in der Beziehung gegenseitig. Erfahrung zeichnet sich aus durch Einseitigkeit, durch Aktivität und Passivität; Beziehung lebt vom gleichzeitigen Dusagen, das aktiv und passiv zugleich ist". Als negativer Umstand für die Beziehung gilt aber, daß sie Grenzen hat und nicht von Dauer ist.

Der Mensch muß ständig ins Ich-Es Verhältnis zurückkehren. Die Du-Welt ist zeit- und zwecklos, ist Gegenwart. Die Es-Welt ist Kontinuität, in ihr bewegt sich der Mensch sicher, denn sie ist "objektiv" wahrnehmbar. 

· Das Zwischenmenschliche 

Die zwischenmenschliche Sphäre nimmt im Beziehungsgeschehen eine besondere Stellung ein. Wie wird nun das Zwischenmenschliche, "das Zwischen" bei M. Buber definiert? Er schreibt dazu folgendes: "'Das Zwischenmenschliche ist etwas, was sich zwischen zwei Menschen begibt.'[...] Begegnung ist das, was sich zwischen beiden begibt, nur erfassbar, '(...) von dem aus, was, beide transzendierend, zwischen ihnen west. (...) Jenseits des Subjektiven, diesseits des Objektiven, (...) ist das Reich des Zwischen' ". 

Mit dem Zwischen führt M. Buber einen neuen Begriff für den Ort menschlicher Beziehung ein, weil sich hier für ihn das Wesentliche der Beziehung finden läßt und es jene Dimension bildet, die nur den beiden am Beziehungsgeschehen beteiligten Menschen zugänglich ist und die eigentliche Wirklichkeit bildet. Ich und Du erlangen ihre Herkunft aus dem Zwischen. 

M. Buber steht hier im Widerspruch zu gängigen psychologischen und soziologischen Betrachtungen des Beziehungsaspektes, die Beziehung entweder als "Innerlichkeiten der Einzelnen, oder in einer sie umfassenden und bestimmenden Allgemeinheit" lokalisieren. In der Beziehung, wie M. Buber sie versteht, passiert im Zwischen eine Vergegenwärtigung, Unmittelbarkeit und Vorurteilslosigkeit, die zum Wachstum des Selbst führt. Diese Vergegenwärtigung geschieht in der Gegenseitigkeit der Akzeptanz, der Bejahung und der Bestätigung. "In seinem Sein bestätigt will der Mensch durch den Menschen werden und will im Sein des anderen eine Gegenwart haben" und dort, wo einer dem anderen Gegenwart wird, geschieht Begegnung. 


2.2 Einflüsse der Existenzphilosophie auf C. Rogers und das Konzept der KP


Die Einflüsse der Existenzphilosophie auf C. Rogers sind unbestritten, obwohl in dieser Hinsicht wohl eine Besonderheit zu nennen ist. C. Rogers schreibt selbst über M. Buber und S. Kierkegaard, auf deren philosophische Entwürfe er sich des öfteren explizit bezieht: "Ich machte erst Bekanntschaft mit den Werken Sören Kierkegaards und Martin Bubers, als einige Theologiestudenten der Universität von Chicago, die zu meinen Hörern zählten, mich dazu drängten. Sie waren überzeugt davon, daß ich das Denken dieser Männer als geistesverwandt ansehen würde, und sie hatten weitgehend recht".

Die Besonderheit besteht darin, daß C. Rogers aus seiner klinischen Erfahrung zum Teil ähnliche anthropologische Grundannahmen wie die oben genannten Existenzphilosophen entwickelte, obwohl natürlich auch große Unterschiede in den verschiedenen anthropologischen Annahmen vorhanden sind. Etwaige Gemeinsamkeiten oder Unterschiede werden nun im folgenden näher erläutert. Hierzu werde ich zuerst die Einflüsse S. Kierkegaards und M. Heideggers auf C. Rogers besprechen und anschließend Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede zu M. Buber aufzuzeigen versuchen. 


2.2.1 C. Rogers im Vergleich mit S. Kierkegaard und M. Heidegger 


Das Menschenbild C. Rogers' hat viel mit den Anthropologien S. Kierkegaards und M. Heideggers gemeinsam, wenn man zum Beispiel an die "Konzepte von Entscheidung, Verantwortung, Freiheit und Wahl und damit zusammenhängend an den Prozeß des Wertens" denkt. C. Rogers formuliert es so: "Obwohl es vieles in Kierkegaards Werk gibt, das mir gar nichts sagt, gibt es immer wieder tiefe Einsichten und Darlegungen, welche meine Ansichten, die ich gewonnen, aber nie habe formulieren können, aufs schönste ausdrücken".

Auf M. Heidegger beruft sich C. Rogers nie explizit. Der in Kapitel 1.1.1 zitierte Spruch Laotses, der die Art der Beziehung zwischen Therapeut und Klient in der KP charakterisiert, führt aber manche Gedanken C. Rogers in die Nähe M. Heideggers. Er erinnert sehr an die Ausführungen M. Heideggers über die "vorausspringende Fürsorge"; jene Sorge um den Mitmenschen, die dem anderen nur dann zur Freiheit und Existenz verhilft, wenn sie ihm ermöglicht, sich den eigenen Sorgen selbst zu stellen und damit zu befreien. Dieser Aspekt in M. Heideggers Philosophie zeigt Gemeinsamkeiten besonders mit der KP der nicht-direktiven Phase, aber auch mit dem grundsätzlichen Selbstverständnis des Menschen, in sich ein Potential zu tragen, sein eigenes Leben selbst in Richtung Wachstum und Vervollkommnung zu lenken und so der "Sorge" um sein Leben gewachsen zu sein. 

S. Kierkegaard steht C. Rogers besonders in einem Punkt bzw. mit einer Aussage nahe, wenn er über ihn schreibt: "er [S. Kierkegaard, Vf.] weißt darauf hin, daß man im allgemeinen am stärksten verzweifelt ist, wenn man sich nicht dafür entscheidet oder dazu bereit ist, man selbst zu sein; daß es aber die tiefste Form der Hoffnungslosigkeit ist, wenn man sich dafür entscheidet, 'ein anderer als man selbst zu sein'. Andererseits 'ist der Entschluß, das Selbst zu sein, das man in Wahrheit ist, wahrhaft das Gegenteil von Verzweiflung', und diese Möglichkeit der Entscheidung ist die tiefste Verantwortung des Menschen. Als ich einige Schriften S. Kierkegaards las, hatte ich fast den Eindruck, er habe manchen Darlegungen zugehört, die unsere Klienten machen, wenn sie nach der Realität des Selbst suchen und forschen" . 

C. Rogers schätzte das Werk S. Kierkegaards sehr und bezeichnete ihn als Freund, der, auch wenn er viele Jahre vor ihm gelebt hatte, die menschliche Erfahrung als einen wichtigen Bestandteil seiner Philosophie festschrieb und C. Rogers damit bestärkte, auf seine eigenen Erfahrungen mehr und mehr zu vertrauen. 
Gernot Alterhoff weißt darauf hin, daß C. Rogers sich in der Begründung der therapeutischen Grundhaltung der Echtheit, unter Verweis des oben angeführten Zitates, ausdrücklich auf S. Kierkegaard bezieht, womit ein diesbezügliches Nahverhältnis als gegeben zu betrachten ist. 

In die Nähe S. Kierkegaards rückt C. Rogers auch, wenn er die Wichtigkeit von "Wahl und Entscheidung" betont. Auch wenn der Organismus die Energiequelle für eine ständige Entwicklung in Richtung reife Persönlichkeit darstellt, so kann die Entscheidung dazu nur vom Menschen, der Person, vom einzelnen getroffen werden. In diesem Zusammenhang spricht C. Rogers wie S. Kierkegaard nur von der Möglichkeit sich zu entscheiden, nicht aber, wie M. Heidegger, von der Notwendigkeit. Der Mensch kann sich, laut M. Heidegger, nicht nur für die Existenz entscheiden, sondern muß dies auch tun. In der Notwendigkeit zur Entscheidung liegt der Unterschied gegenüber den Annahmen C. Rogers.

C. Rogers steht in seinem Verständnis von Wahl und Entscheidung den Existentialisten sehr nahe, was sicher die eindeutigste Verbindung darstellt. In seinem Freiheitsverständnis behandelt er die Determiniertheit des Menschen aber nicht im Sinne einer "auf Zukunft gerichteten 'Geworfenheit', wo die Determiniertheit der menschlichen Existenz in Form von 'Angst' ( vor dem Tode) der Freiheit gegenübersteht. 'Freiheit' und 'Determiniertheit' stehen für C. Rogers vielmehr in engem Zusammenhang zu seinem Verständnis von 'Wahl' und 'Entscheidung'". Dabei betont er besonders die "freie" Wahl und Entscheidung des einzelnen. 

Natürlich darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen, daß der Mensch aufgrund gesellschaftlicher und politischer Einflüsse immer auch in diese eingebettet ist und beeinflußt, ja bis zu einem gewissen Grad determiniert wird. C. Rogers leugnet die Macht dieser Einflüsse nicht, betont aber, daß wir in unserer Existenz auch die Macht und die Freiheit hätten zu wählen, gleichzeitig aber für unsere Entscheidungen die Verantwortung selbst übernehmen müßten. Er versucht damit "jedem Individuum den Teil der Freiheit wiederzugeben bzw. wiedergewinnen zu lassen, der in ihm 'schlummert'. [...] Er leugnet [aber, Vf.] nicht das Leid und Unrecht, das durch andere Menschen oder Systeme zugefügt werden kann, und er sieht auch in der subjektiven persönlichen Freiheit nicht das Ziel, das zur Lösung der sozialen Probleme ausreichen würde, aber er besteht auf der Anerkennung der subjektiven Freiheit und der damit zusammenhängenden Verantwortlichkeit des einzelnen Menschen gegenüber sich selbst und anderen".


2.2.2 C. Rogers im Vergleich mit M. Buber 


Berührungspunkte zwischen der Anthropologie M. Bubers und dem Menschenbild der KP werden gemeinhin besprochen und angenommen. C. Rogers beruft sich oft auf M. Buber. Zweifellos vermittelt M. Bubers Anthropologie ein Stück geistiger Herkunft für C. Rogers' Konzept, wenngleich beide Konzepte nicht einfach als identisch angesehen werden können. Berührungspunkte gibt es vor allem hinsichtlich der von C. Rogers formulierten Grundbedingungen ( Echtheit, Wertschätzung und Empathie) für eine hilfreiche Beziehung von Person zu Person, die eine große Nähe zu M. Bubers Konzept der "Ich-Du-Beziehung" und der "Begegnung" aufweisen. Dennoch gibt es einige Unterschiede im Denken beider, die schon im Dialog Buber-Rogers im Jahre 1957 zu Tage traten. Ich möchte nun kritische Anfragen aus der Anthropologie M. Bubers an C. Rogers' Verständnis von Begegnung stellen.

· Die Frage der Wechselseitigkeit in einer therapeutischen Beziehung

Im Gespräch, das von Maurice Friedmann moderiert wurde, sprach C. Rogers M. Buber direkt an, ob denn seine "Ich-Du-Beziehung" dem ähnlich sei, was er, C. Rogers, als grundlegende und 
hilfreiche Voraussetzungen für eine therapeutische Beziehung sehe. M. Buber ortete eine gewisse Ähnlichkeit, wobei er aber auch Unterschiede feststellte. M. Buber sah in der therapeutischen Beziehung zwar ein bestimmtes Moment dialogischer Existenz, betonte jedoch auch, daß diese Beziehung zwischen Klient und Therapeut keine total wechselseitige wäre und 
wies auf den wesentlichen Unterschied zwischen Therapeut und Klient hin: "Er kommt zu Ihnen um Hilfe. Sie kommen nicht zu ihm um Hilfe", dies schließe aus, daß beide auf derselben Ebene stünden. 

C. Rogers konnte im Dialog M. Buber nicht von dieser Meinung abbringen. Für M. Buber bleibt die "therapeutische" Begegnung eine einseitige, sie findet nämlich mehr von seiten des Therapeuten statt, der sehr viel Beziehungsarbeit auch für den Klienten übernehmen muß. Dies hat der Therapeut für M. Buber aber auch mit dem Seelsorger und anderen "helfenden" Berufen gemeinsam. 

· Unterschied : Bestätigen und Akzeptieren?

Einen weiteren Gesprächspunkt bildete auch der Unterschied zwischen der Haltung, die C. Rogers als "Akzeptieren" bezeichnet und die M. Buber mit "Bestätigen" meint. In der Unterscheidung dieser Begrifflichkeiten stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die menschliche Natur in ihrem Innersten gut, vertrauenswürdig und wachstumsorientiert ausgerichtet ist, wie C. Rogers dies annahm, oder ob es eher dem Menschsein entspricht, von zwei Polen auszugehen, die herkömmlich mit den Worten "Gut und Böse" bezeichnet werden ( M. Buber verwendete lieber die Begriffe "Ja und Nein" oder "Vertrauen und Ablehnung") und von denen der eine Pol im Verhältnis zum anderen bestätigt werden könnte, wie M. Buber es annahm. 

Nun zu den Begriffen "Bestätigen" und "Akzeptanz". Akzeptanz bedeutet Bejahung des anderen, wie er im Moment gerade ist, in seiner eigenen Wirklichkeit; und nicht jemanden einfach sein zu lassen, wie er ist. Bestätigen bedeutet für M. Buber jemanden als den zu akzeptieren, als der er angelegt ist, in seinen verborgenen Möglichkeiten, was auch zu Auseinandersetzungen führen kann. M. Buber meint dazu: "Ich kann in ihm die Persönlichkeit erkennen und kennenlernen, [...] die er zu werden erschaffen wurde. In unserer wirklich einfachen Sprache finden wir keine Bezeichnung dafür, weil es keine Worte gibt für die Idee, 'Mensch zu sein um zu werden'". 
Für M. Buber gibt es auch den Umstand, daß man dem anderen gegen sein eigenes Selbst helfen muß. Der Klient brauche demnach einen Menschen, dem er nicht nur vertrauen kann, sondern auch einen Menschen "der ihm Sicherheit gibt, daß es einen Boden, eine Existenz gibt; daß die Welt nicht verdammt ist zur Entbehrung, zur Entartung, zur Zerstörung; daß die Welt erlöst werden kann; daß er erlöst werden kann, weil es dieses Vertrauen gibt. Und wenn ich soweit bin, dann kann ich diesem Menschen sogar in seinem Kampf gegen sich selbst helfen. Das kann ich nur tun, wenn ich zwischen Vertrauen und Bestätigen unterscheide". C. Rogers meint zum Zeitpunkt des Dialoges, daß der Begriff des Bestätigens bzw. der Bestärkung dem sehr nahe kommt, was er unter Akzeptanz versteht. Für ihn ist aber das Vertrauen die stärkste Kraft zur Veränderung und löse diese gerade aus.

Später bezieht sich C. Rogers direkt auf M. Bubers Begriff des Bestätigens, "streicht unter Bezugnahme auf ihn die Prozeßhaftigkeit hervor und pflichtet M. Buber darin bei, daß es darum gehe, des anderen als desjenigen innezuwerden, als der er angelegt ist. [...]Später betont er, daß Empathie diese Bestätigung gibt, 'daß jemand als besondere, geachtete Person mit einer Identität existiert'".

Wenn man den Dialog C. Rogers mit M. Buber betrachtet, so kommt man zum Schluß, daß M. Buber zum Zeitpunkt des Gesprächs eher die Gegenseitigkeit und die Beziehung betonte, während C. Rogers mehr auf die Wachstumsfähigkeit "im einzelnen" zielte. Für C. Rogers sind die Möglichkeiten im Klienten und deren Bestätigung sehr wichtig. Bei ihm werden diese Möglichkeiten durch die Aktualisierungstendenz des Organismus eröffnet und durch das Akzeptieren gefördert, das beides akzeptiert, das Aktuelle wie das Potential. Den Rahmen dafür kann ausschließlich eine Beziehung bilden. Dennoch bleiben die Kräfte in der Person für C. Rogers wichtiger als für M. Buber die Gegenüberstellung zum anderen, dem Zwischen, das das Wesen der Beziehung und der Veränderung der Person ausmacht.


Zusammenfassend läßt sich sagen: Den wesentlichen Unterschied in bezug auf die Begriffe "Bestätigen" und "Akzeptieren" beider Konzepte bildet der Umstand, daß es für M. Buber das Gute und das Böse im Menschen gibt. Daher ist es legitim, den einzelnen in diesem Kampf der gegensätzlichen Kräfte zu unterstützen und auf dem "guten" Weg zu "bestätigen". C. Rogers glaubt stärker einen konstruktiven Kern im Menschen, der die Fähigkeit besitzt, sich in Richtung auf Wachstum und Persönlichkeitsentwicklung zu bewegen. Um das Wachstum zu fördern, ist es wichtig, eine bedingungslos vertrauende Atmosphäre zu schaffen, die das Wachsenlassen des einzelnen fördert. Das Lenken in eine bestimmte Richtung erübrigt sich daher. 

· Der Vorwurf des Individualismus

Wichtigen Einfluß auf C. Rogers nahm M. Buber auch durch seinen relationalen Beziehungsbegriff. C. Rogers wurde in bezug auf sein Menschenbild immer der Vorwurf gemacht, daß dieses zu individualistisch sei. Tatsächlich betont C. Rogers das Individuum und seine Freiheiten ganz besonders, vor allem aber bis zum Zeitpunkt seines Zusammentreffens mit M. Buber. Spätere Entwicklungsphasen der KP lassen den Beziehungsaspekt und die relationale Dimension immer wichtiger werden. Dies ist zweifellos auch eine Frucht des Dialoges mit M. Buber. Die Betonung der Selbständigkeit der Person bleibt bei C. Rogers zwar ein wichtiger Faktor. Dennoch wird die Beziehungsbedingtheit des einzelnen in ihrer Wichtigkeit erkannt und zu erfassen gesucht. 

P. Schmid meint hierzu, daß der Vorwurf des Individualismus das frühe Konzept C. Rogers sicherlich trifft, nicht aber sein Gesamtwerk. Aktualisierung der Individualität und fundamentale Wichtigkeit der Relationalität werden in der KP als gleich ursprünglich angenommen und bilden die Spannung, in der sich die Person entfaltet. 

· Religion und Glaube

Wenn man den Einfluß des Existentialismus auf C. Rogers bedenkt, dann ist es sehr ungewöhnlich, daß C. Rogers Religiosität und Glauben in seiner Konzeption offensichtlich nicht beachtet. Betrachtet man S. Kierkegaard, M. Heidegger und M. Buber, dann kann man mit P. Schmid sagen, daß auch die KP und die Anthropologie C. Rogers' ohne ihre jüdisch-christlichen Wurzeln letztlich nicht wirklich zu verstehen sind. "Kierkegaards wie Bubers Denken, um nur zwei >Gewährsleute< zu nennen, auf die Rogers sich so gern beruft, sind ohne ihre tiefe Gottbezogenheit nicht vorstellbar. Hat er hier einen wichtigen Teil des Menschseins ausgeklammert oder übersehen?" 

Doch wie konnte dies geschehen, wenn man bedenkt, daß C. Rogers aus einer christlichen Familie kam, selber Theologie studierte, als Seelsorger tätig war und sogar einschlägig publizierte? Abgesehen von seinen letzten Lebensjahren klammerte er die religiöse Dimension über weite Strecken aus seinem Leben aus und befaßte sich erst sehr spät wieder mit Fragen der Transzendenz und Spiritualität. Er war eher Empiriker und Phänomenologe als Philosoph oder Theologe und machte seine Forschungsergebnisse immer an der eigenen Erfahrung fest. In diesem Punkt trifft er sich mit M. Buber, der der doktrinären Ausformung von Religion ebenfalls nichts abgewinnen konnte und ihr vorwarf, die Menschen von Gott abzubringen."Aber Bubers ganzes Denken lebte aus dem Glauben an ein Du Gottes, das sich im menschlichen Du erfahren läßt. Darin lag für Buber ein befreiender und öffnender Aspekt." 

C. Rogers erlebte Religion eher als etwas Einengendes und die Person ihn ihrer Selbstverwirklichung Behinderndes, somit konnte er sich eine befreiende Beziehung zu Gott kaum vorstellen und sich in diese Richtung schwer öffnen. In bezug auf Glauben und Religion scheint mir aber wichtig zu erwähnen: er hat nie versucht, Gott und Religion auf psychologische Phänomene zu reduzieren oder den Glauben bloß als Gegenstand der Therapie zu betrachten. 
Dennoch hat er Glaubensfragen nicht weiter beachtet und "bei den anthropologischen Grundsatzfragen, wie der nach Gut und Böse, der Gültigkeit von Werten, der Freiheit, dem Ziel menschlicher Entwicklung, hat er sich vielfach mit empirischen Standpunkten begnügt, um nicht zu sagen, sich auf sie zurückgezogen". Damit ist er wohl einem zentralen Aspekt des Menschsein aus dem Weg gegangen.



2.3 Vitalismus 


Vitalismus ist der Überbegriff für die Lehre, die meint, daß das Leben nicht nur auf physikalisch-chemische Faktoren zurückzuführen ist und daß immaterielle Faktoren die Gestalt und Funktion der Organismen mitbedingen. "Aristoteles und die Scholastik erklärten alle Naturgebilde, auch die anorganischen, durch das Hinzutreten einer Entelechie, Form zu der formlosen oder vorgeformten Materie. Der Vitalismus schränkt diese teleologische Deutung der Welt auf die organische Welt ein. Er steht im Gegensatz zum Mechanismus, der das Leben nur als Resultante[sic!] des Zusammenwirkens materieller Faktoren versteht." 

Hauptvertreter des sogenannten Neovitalismus war Hans Driesch (1867-1941), der durch Versuche an Seeigelkeimen, die er nach der ersten oder zweiten Teilung trennte, zeigte, daß sich die verschiedenen Teile je zu ganzen Seeigeln entwickelten. Hierbei schloß er auf einen ganzheitsmachenden Faktor in der Entwicklung, den er Entelechie nannte. Den Einwänden, die eine Entelechie als physikalisch unbeweisbar und sinnlos bezeichnen, wird vom Vitalismus folgendermaßen entgegnet: "Selbstverständlich kann chem.-physikal. Analyse immer nur chem.-physikal. Faktoren finden. Aber die Frage ihrer 'Synorganisation' wird durch solchen 'methodischen Mechanismus' nicht aufgehoben." 

Die philosophischen Annahmen des Vitalismus finden sich im Konzept C. Rogers vor allem im Zusammenhang mit seinem Organismusverständnis. C. Rogers sieht eine Art Weisheit des Organismus, die er Aktualisierungstendenz nennt. Seiner Auffassung nach sagt einem der Körper, ob man sein wahres Selbst lebt oder nicht. Darum ist es wichtig, die Signale seines Körpers wahrzunehmen und auf sie zu vertrauen: wenn mir das gelingt, erfahre ich verläßlich, wer ich bin und wie ich am authentischsten handeln kann. Gernot Alterhoff findet in diesen Aussagen die Stimmen vitalistischer Philosophen wieder, die der Auffassung sind, daß "das Leben auf einem harmonischen konstruktiven und lebensdienlichen Zusammenpassen sämtlicher Glieder beruhe, und alles Leben von einer inneren Lebenskraft angetrieben werde".

Er stellt in diesem Zusammenhang fest, daß der Organismus sich oft mit Wünschen und Bedürfnissen bemerkbar mache, die dem Individuum unerfüllbar scheinen und fragt sich, woher der Organismus seine Weisheit nimmt, solche Konflikte befriedigend zu lösen, überhaupt wenn es Menschen gibt, denen die unmittelbare Erfahrung ihres Organismus fehlt. C. Rogers antwortet auf solche Fragen oft in Anlehnung an M. Buber, den er als wichtigsten Gewährsmann nennt, und meint, daß sich der Klient durch Gespräche mit dem Therapeuten verändere und zu seinem authentischen Sein finde. Wer sich jemals über einen längeren Zeitraum in einen therapeutischen Prozeß begeben hätte, würde diese Erfahrung sicher weitergeben können. 

C. Rogers verwendete diese Vorgangsweise in der Entwicklung seines Konzeptes: Er ging von der Erfahrung der einzelnen Klienten aus, die er betreute und entwickelte seine Theorie, die heute als "allgemein" wirksam anerkannt ist. 

Weitere Einflüsse und Wurzeln der KP sind auf Grund des vorgegeben Rahmens leider nicht zu behandeln. Es wurden vorwiegend jene ausgewählt, die im Hinblick auf ein christliches Menschenbild interessant erscheinen oder zum näheren Verständnis der philosophischen Wurzeln der KP beitragen sollen. 

Die Frage, die für eine Rezeption der KP in diesem Zusammenhang wichtig erscheint, ist zweifellos, ob die KP in ihrer Grundkonzeption als Psychotherapieform den Grundgedanken christlicher Seelsorge widerspricht. Allein aus einer Besprechung der metatheoretischen Aspekte der KP scheint dies nicht der Fall zu sein. Ebenso ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt, wieweit sie den Anforderungen christlicher Seelsorge entsprechen kann.

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Klientenzentrierte Psychotherapie in der Seelsorge

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