Der narzisstische Klient/ die Klientin zeigt ein arrogantes
Selbstgenügen. Es fehlt eine fest fundierte eigene Identität.
Auffällig ist die überkorrekte, sehr kontrollierte Fassade und
das Fehlen des Vermögens, für andere Empathie aufzubringen,
ebenso wie das Fehlen von Schuldgefühl (vgl. Swildens 1991, S.
213 – 217).
Wir begegnen KlientInnen, die augenscheinlich darauf
ausgerichtet sind, erfolgreich zu sein und bewundert zu werden,
die sich schnell angegriffen fühlen, die keine Empathie für
andere aufbringen können und kein Schuldgefühl zu haben
scheinen, wohl aber Gefühle der Scham, der Missgunst, der Wut
und der Minderwertigkeit. Wir sehen ein Selbstkonzept, das
Größenideen, exhibitionistische Wünsche, Machtstreben und
Perfektionsideale umfasst. Das Selbstkonzept ist keine stabile
Struktur, sondern verlangt immer wieder nach äußerer Bestätigung
und nach Beifall.
...
Anders als bei Borderline-KlientInnen ist hier nicht die Rede
von einem Kriegszustand, wohl aber von einer soliden Bewaffnung;
und diese Bewaffnung dient auf den ersten Blick nicht
ausschließlich oder überwiegend der Verteidigung, sondern trägt
auch offensiven Charakter: der/ die Stärkere, der/ die Schönere,
der/ die Intelligentere zu sein und das beweisen zu wollen (vgl.
Swildens 1991, S. 213 – 217).
Therapieziel ist, dass der Klient/ die Klientin in seiner/ ihrer
menschlichen Würde wieder hergestellt ist und er/ sie sich
seinem/ ihrem Gegenüber als einem Wesen nähert, das von der
eigenen Art ist und verdient, mit Achtung behandelt zu werden
und für das er/ sie Mitgefühl aufbringen kann.
Das bedeutet, dass auf Seiten des Therapeuten/ der Therapeutin
das notwendig ist, was vom Klienten/ der Klientin unmittelbar
verlangt wird: die Bestätigung, nicht im Sinne von Beifall,
sondern als positive Wertschätzung und Respekt.
Gleich darauf wird es für den Klienten/die Klientin nützlich
sein, zu bemerken, dass dieses positiv wertende und
respektierende Gegenüber auch ein fühlender, denkender,
erlebender Mensch ist; dass das Akzeptieren Grenzen hat, und
sein eigenes Wertsystem in seinen Interventionen durchklingt.
Vom Gesprächspsychotherapeuten/ der Therapeutin verlangt dies
ein hohes Maß an Sensibilität für die hohe Verletzlichkeit des
Klienten/ der Klientin und dessen/ deren unzureichend
geschütztes Selbstkonzept, sowie Verständnis dafür, aus welch
schwacher Position heraus dieses Verlangen nach Bewunderung
notwendig wurde.
Die Grundhaltung des Akzeptierens, der Empathie und der Echtheit
aus Respekt vor der Person sind der Boden dafür, auch
Begrenzungen hinsichtlich ihres Agierverhaltens ziehen zu
können.
Im Wissen um die Brüchigkeit des Selbstkonzepts, der nur
scheinbaren Autarkie und dem dringenden Bedürfnis nach
Anerkennung und Selbstbestätigung auf Seiten des Klienten ist
zunächst der Rahmen einer bedingungslosen Akzeptanz für ihn
notwendig. Erst wenn er nicht mit vorschneller Kritik rechnen
muss sondern die für ihn lebensnotwendige Anerkennung und
Wertschätzung auf Seiten der Therapeutin erleben kann, wird es
für ihn möglich, in einen Prozess zaghafter
Selbstauseinandersetzung treten zu können.
Dabei besteht für die Therapeutin die Schwierigkeit, nicht mit
einer schnellen Belohnung für ihr geduldiges Anerkennen rechnen
zu dürfen, denn der Klient muss ja seine Sehnsucht nach
Bestätigung verleugnen sondern der Therapeutin das Gefühl
vermitteln, eigentlich ihrer Hilfe ja nicht zu bedürfen.
Die Therapeutin muss sich also zunächst als anerkennender,
bestätigender Spiegel zur Verfügung stellen, zu gebotener Zeit
und in überlegter Dosis immer mehr im Sinne von Echtheit auch
bereit sein zu spiegeln und zu benennen, was nicht in der
Erwartung (im Selbstbild) des Klienten enthalten ist. Ein
grundlegendes Gefühl von Respekt und Wertschätzung für sein
Geworden-Sein muss darunter für ihn spürbar bleiben, ohne das
jegliche Konfrontation mit großer Wahrscheinlichkeit in Streit
und Beziehungsabbruch führen wird. Man spricht in diesem
Zusammenhang von der „optimalen Frustration“, die der
narzisstisch geprägte Mensch in der Therapie durchleben müsse,
um kohärente Selbststrukturen aufbauen zu können. Die
Therapeutin soll nicht nur sein „spiegelndes Selbstobjekt“
darstellen, sondern als „real person“, das heißt als konkrete
greifbare Person dem Klienten gegenübertreten.
Als Interventionsform (insbesondere bei Beziehungsklärungen) ist
immer wieder eine (mit den gebotenen Grenzen) echte
Selbsteinbringung zu wählen, um das bedrohliche Moment einer für
den Klienten beschämenden Selbstenthüllung abmildern zu können.
Im Wissen darüber, dass narzisstisch geprägte Menschen oft nur
über eine diffuse, wenig präzise Selbstwahrnehmung verfügen und
oft Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle richtig zu
differenzieren (die Ausblendung von Gefühlen wie z.B.
Enttäuschung, Wut, Traurigkeit war ein lebensnotwendiger
Bewältigungsmechanismus) sind als Interventionsmethoden
Einfühlendes Wiederholen, Konkretisierendes Verstehen und
Selbstkonzeptbezogenes Verstehen besonders geeignet, um dem
Klienten/ der Klientin zu ermöglichen, eigene Gefühle zutreffend
anzusprechen, zu unterscheiden und sich der eigenen
Stellungnahme und Bewertung und damit seiner Identität zu
vergewissern (vgl. J. Finke 1994, S. 137 – 140) .