1 Narzissmus – die verschlossenen Räume zum wahren Selbst
1.1 Gesunder Narzissmus
Einige Merkmale der gesunden narzisstischen Entwicklung (als
Idealtypus, der in der Realität immer nur als Annäherung an eine
Qualität von innerer Freiheit und Lebendigkeit anzutreffen ist):
Aggressive Regungen konnten neutralisiert werden, weil sie die
Sicherheit und Selbstachtung der Mutter nicht erschüttert haben.
Das Kind durfte „gewöhnliche“ Regungen (wie Eifersucht, Zorn,
Trotz) haben und ausleben, weil es nicht von der Mutter zu etwas
„Besonderem“ gebraucht wurde.
Es musste (im optimalen Falle) niemandem gefallen, durfte das
wachsen lassen und zeigen, was auf jeder Entwicklungsstufe in
ihm lebendig war.
Autonomie-Bestrebungen wurden nicht als Angriff erlebt.
Es konnte die Eltern „brauchen“, „verwenden“, weil sie von ihm
unabhängig waren.
Diese Voraussetzungen ermöglichten ihm eine erfolgreiche
Trennung von Selbst- und Objektrepräsentanzen.
Weil es ambivalente Gefühle zeigen durfte, konnte das Kind
lernen, sowohl sein Selbst als auch das Objekt als „gut und
böse“ zu erleben und musste nicht das „böse“ vom „guten“ Objekt
abspalten.
Eine Objektliebe wurde möglich, da auch das Kind von seinen
Eltern als getrenntes Wesen geliebt wurde.
Die narzisstischen Bedürfnisse des Kindes konnten, unter der
Voraussetzung der phasengerechten und nicht traumatischen
Versagung, integriert und mussten nicht verdrängt oder
abgespalten werden.
Die Integration ermöglichte ihre Umformung sowie den Aufbau
einer triebregulierenden Matrix aufgrund der eigenen Probe- und
Irrtum-Erfahrungen (vgl. A. Miller 1983).