1.
Philosophische Grundlagen
a) Anthropologische Basis („Menschenbild“,
„Natur des Menschen“)
Der Mensch steht in einem andauernden Prozess der Veränderung und
besitzt die Fähigkeit, sich in Richtung größerer Reife und
psychischer Funktionsfähigkeit zu entwickeln
(Selbstverwirklichungstendenz): Er ist fähig, selbst die
Verantwortung für seine Ideen, Gefühle und Handlungen zu übernehmen
(Selbstverantwortlichkeit), sich von „innen“, von seiner „organismischen“
Basis her zu steuern und seine im Leben auftretenden Probleme unter
günstigen Bedingungen selbst zu lösen (Selbstregulierung).
b) Wissenschaftstheoretische Orientierung:
Wesentlich für die Entwicklung einer zusammenhängenden Theorie war,
dass diese auf der Grundlage einer konsequenten Verbindung
phänomenologischer Theorienbildung mit empirischer
Psychotherapieforschung eigenständig erfolgte und die
Personzentrierte Psychotherapie nicht eine Weiterentwicklung einer
bereits vorhandenen Methode darstellt.
2. Persönlichkeitsmodell und
Entwicklungstheorie
Jeder Mensch lebt in einer Welt, die sich ständig verändert, und er
ist „Mittelpunkt“ dieser Welt. Bei ihm treffen die Reize und
Informationen der Umwelt als Erfahrungen und Wahrnehmungen ein. Er
reagiert mit seinem Organismus au die Umwelt, wie er sie erfährt und
wahrnimmt. Diese wahrgenommene und subjektiv erfahrene Welt betrifft
die eigene Person, ihre Fähigkeiten und Eigenschaften.
Die fortlaufenden Erfahrungen mit der eigenen Person verdichten sich
zum „Selbst“, die Annahmen einer Person über ihre Fähigkeiten und
Eigenschaften. Das Selbst wird „gespeist“ und verändert durch die
unmittelbare und direkte Erfahrung eigener Qualitäten und
Fähigkeiten in bestimmten Situationen und durch die Erfahrung von
bewertenden Stellungnahmen über die eigene Person durch bedeutsame
andere Personen. Das Selbst ist also das Resultat der Interaktion
und Auseinandersetzung einer Person mit ihrer Umwelt.
Ein zentraler Begriff der Persönlichkeitstheorie ist das Konzept der
Aktualiesierungstendenz. Es ist jenes Prinzip und Erklärungskonzept,
das für Motivations- und Entwicklungsprozesse verantwortlich ist.
3. Krankheitslehre
a) Krankheitsbegriff
Positive Beachtung ist so wichtig, dass wir bereit sind
unser „Selbst“ zu verleugnen. ( Inkongruenz)
b) Gesundheitsbegriff
• Selbstverwirklichungstendenz: Der Mensch besitzt die Fähigkeit,
sich in Richtung größerer Reife und psych. Funktionsfähigkeit zu
entwickeln.
• Selbstverantwortlichkeit: Er übernimmt selbst die Verantwortung
für seine Ideen, Gefühle und Handlungen.
• Selbstregulierung: Er kann seine im Leben auftretenden Probleme
unter günstigen Bedingungen selbst lösen.
c) Ätiologiemodell
Das „Selbst“ ist nicht immer bewusst, aber es beeinflusst deutlich,
wie eine Person Ereignisse, Dinge, Situationen und Personen
wahrnimmt, welche Bedeutung diese für sie erhalten und wie sie sich
ihnen gegenüber verhält. Ereignisse und Erfahrungen, die dem Selbst
widersprechen, werden – begleitet von Gefühlen der Bedrohung und
Angst - nicht wahrgenommen, in ihrer Bedeutung geleugnet oder
verzerrt im Bewusstsein symbolisiert. Es entsteht so ein Zustand der
Inkongruenz zwischen Selbst und Erfahrung: Annahmen über die eigene
Person werden aufrechterhalten, trotz gegenteiliger Erfahrung.
4. Weitere zentrale Konzepte
• Eine gewisse Einstellung des Therapeuten ist die notwendige und
ausreichende Bedingung für erfolgreiche Therapie.
• Die Funktion des Therapeuten besteht darin, für seinen Klienten
unmittelbar zugegen und zugänglich zu sein und auf sein von
Augenblick zu Augenblick vorwärtsschreitendes Erleben in der
Beziehung zum Klienten zu vertrauen.
• Die fortwährende Konzentration auf die phänomenale Welt des
Klienten.
• Der therapeutische Prozess ist durch eine Veränderung in der
Lebensweise des Klienten gekennzeichnet ist, und zwar verbunden mit
einer zunehmenden Fähigkeit, voll im unmittelbaren Augenblick zu
leben.
• Die unveränderte Überzeugung, dass die Fähigkeit des menschlichen
Organismus zur Selbstverwirklichung die motivierende Kraft in der
Therapie sei.
• Größeres Interesse am Prozess der Persönlichkeitsveränderung, als
an der Struktur der Persönlichkeit.
• Notwendigkeit von unablässiger Forschungsarbeit
• Auf alle Personen, seien sie nun als psychotisch, neurotisch, oder
„normal“ eingestuft, sind die gleichen psychotherapeutischen
Prinzipien anwendbar.
• Psychotherapie ist nur ein Sonderfall aller konstruktiven
zwischenmenschlichen Beziehungen und dass sich deshalb alle
Erkenntnisse aus dem Bereich der Psychotherapie verallgemeinern
lassen.
• Alle theoretischen Formulierungen werden auf dem Boden der
Erfahrung gebaut, statt die Erfahrung gemäß einer vorgefassten
Theorie zu verdrehen.
• Interesse an den philosophischen Folgerungen, die sich aus der
psychotherapeutischen Praxis ergeben.
5. Therapieziele
• Der Klient wird offener für seine Erfahrungen
• Der Klient entwickelt zunehmend mehr Vertrauen zum eignen
Organismus
• Der Klient entwickelt eine innere Bewertungsinstanz
• Der Klient entwickelt eine zunehmende Bereitschaft zur Veränderung
Bei einer hohen Verwirklichung dieser Merkmale spricht Rogers von
einer „fully functioning person“, die für ihn das übergreifende Ziel
der Personzentrierten Psychotherapie darstellt.
6. Praxis
a) Therapietheorie inkl.
Beziehungsverständnis und Prozessmodell
Mit zunehmendem Vertrauen zum Therapeuten und in die
therapeutische Situation äußert sich der Klient immer häufiger mit
deutlichem Bezug zu seinen unmittelbaren Gefühlen und
Erlebnisinhalten. Er wird persönlicher und äußert seine Erfahrungen
direkt und mit gefühlsmäßiger Betroffenheit. Seine Aufmerksamkeit
richtet sich dabei immer mehr auf sein inneres Erleben und sein
Selbst. Er klärt aktiv sein Erleben – sucht nach neuen Bedeutungen
von gemachten Erfahrungen, nach neuen Sichtweisen seiner Person, er
konfrontiert sich mit seinem Verhalten und wägt dessen Bedeutung
gefühlsmäßig ab.
Diese Vorgänge sind im Sinne eines Prozesses zu verstehen, der im
Verlauf der Therapie immer intensiver wird, vorausgesetzt, der
Therapeut bietet dem Klienten günstige Bedingungen im Sinne des
beschriebenen Therapeutenverhaltens.
b) Aufgaben des/der Psychotherapeuten
• Nicht wertendes, einfühlendes Verstehen (Empathie): Der Therapeut
richtet seine Aufmerksamkeit auf die von Augenblick zu Augenblick
vom Klienten geäußerten Erfahrungen und gefühlsmäßigen
Erlebnisinhalte. Er versucht den Klienten zu verstehen, wie dieser
sich selber sieht. Er bewertet die vom Klienten ausgedrückten
Gefühle und Erfahrungen weder offen noch insgeheim und sucht auch
nicht nach Erklärungen dafür, sondern seine Aktivität besteht darin,
die Welt aus der Sicht des Klienten zu erfassen und zu verstehen und
das Verstandene mit eigenen Worten dem Klienten mitzuteilen.
• Nicht an Bedingungen gebundene Wertschätzung und emotionale Wärme:
Der Therapeut respektiert die Person des Klienten unabhängig davon,
welche Erfahrung und Gefühle er ausdrückt. Er betrachtet den
Klienten als eine Person von eigenem Wert und respektiert seine
Individualität. Er enthält sich jeder Kritik und versucht nicht, das
Verhalten und Erleben des Klienten zu verbessern oder abzuwerten,
sondern zeigt uneingeschränkt Wertschätzung für den Klienten mit
seine augenblicklichen Möglichkeiten, Fähigkeiten und Grenzen.
• Echtheit, Kongruenz: Der Therapeut verhält sich ungekünstelt und
ohne professionelles oder routinemäßiges Gehabe. Seine Äußerungen
und sein Verhalten steht in Übereinstimung mit seinem Erleben, sie
fließen aus dem, was der Therapeut unmittelbar erlebt, empfindet und
wahrnimmt. Er ist dabei für sein Fühlen und Erleben in der Situation
offen und macht es zur Grundlage seines Verhaltens, sofern es für
die Beziehung zum Klienten eine Bedeutung hat.
c) Aufgaben des Klienten
Die wesentlichen Vorgänge beim Klienten während der
Therapie sind „Selbstöffnung“ und „Selbstauseinandersetzung“
Die Inhalte der Selbstauseinandersetzung und Selbstöffnung können
vielfältig sein, je nach der Problematik des Klienten. Ein wichtiger
Gesichtspunkt in der personenzentrierten Therapie ist es, dem
Klienten selbst zu überlassen, welche Inhalte er auswählt, und ihn
nicht auf bestimmte Erfahrungen, etwa frühkindliche Erlebnisse, zu
lenken.
7. Anwendungsschwerpunkte:
• Einzeltherapie
• Gruppentherapie
8. Persönlicher Kommentar:
Die Personzentrierte Therapieform spricht mich aus mehreren Gründen
besonders an. Ich schätze das vermittelte Menschenbild, die
grundsätzlich optimistische Grundhaltung, und den Versuch ohne
Techniken auszukommen.
Auch bewundere ich das Bemühen um Kongruenz, Offenheit und
Wertschätzung dem Klienten gegenüber.
9. Verwendete Quellen:
Psychotherapie - Schulen und Methoden
Herausgegeben von Gerhard Stumm und Beatrix Wirth
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